Französischer Staat löst Klimagruppe auf: Wir alle sind “Les Soulèvements de la Terre”!

Am zurückliegenden Mittwoch hat die französische Regierung die Auflösung der Klimagruppe “Les Soulèvements de la Terre” (dt.: Aufstände der Erde) beschlossen. Diese ging einher mit Razzien im ganzen Land, bei denen mehr als ein Dutzend Aktivist:innen verhaftet wurden. Wir teilen hier die Übersetzung der Erklärung unserer französischen Schwesterorganisation Union Communiste Libertaire (UCL). Egal ob in Deutschland, in Frankreich oder anderswo:
Der Protest für eine Welt ohne Klimazerstörung bleibt legitim. Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Angesichts des Kapitalismus und Autoritarismus sind wir alle “Les Soulèvements de la Terre”!

Die Auflösung von “Soulèvements de la Terre” (Anmerkung der Übersetzung: dt. “Aufstände der Erde”) wurde heute Morgen im Rat der Minister:innen beschlossen. Es handelt sich um einen weiteren Meilenstein in der Verschärfung des Autoritarismus der Macronie gegen die sozialen Bewegungen. Die UCL verurteilt diese Auflösung, unterstützt die Soulèvements de la Terre und ruft dazu auf, sich allen Kundgebungen zur Unterstützung anzuschließen.

“Nach Monaten der falschen Spannung, der Lobbyarbeit der FNSEA (Anmerkung: Verband der Bauerngewerkschaften) und des Baugewerbes, der Agitation der Rechten und der extremen Rechten hat Darmanin (Anmerkung: franz. Innenminister) seinen Willen bekommen: Der Beschluss zur Auflösung der Soulèvements de la Terre fiel nach der Kabinettssitzung heute Morgen, am Mittwoch, den 21. Juni 2023.

Die Regierung macht von Gesetzen Gebrauch, die in den 1930er Jahren geschaffen wurden, um gegen rechtsextreme Gruppen vorzugehen. Nach antirassistischen oder antifaschistischen Kollektiven wird nun eine Umweltbewegung ins Visier genommen, die aufgrund ihrer Strukturierung, ihrer sehr breiten Unterstützung und ihrer Offensivität von historischer Bedeutung ist. Diese radikale, antikapitalistische Bewegung, die immer stärker wird und mittlerweile weitgehend in der sozialen Bewegung verankert ist, beunruhigt den Staat, der darauf mit immer mehr Autoritarismus reagiert. Die Überwachung mehrerer Mitglieder der Soulèvements de la Terre, ihrer Fahrzeuge oder ihrer Wohnungen war bereits ein erster besorgniserregender Schritt. Die beiden Verhaftungswellen der letzten Tage, die letzte am 20. Juni, unter dem Vorwand der inneren Sicherheit, verschärfen diese autoritäre Unterdrückung nur noch weiter. Wir erinnern daran, dass die Antiterrordienste gegen die Umweltaktivisten:innen nach einer Aktion gegen Lafarge (Anmerkung: einer der größten Baustoffproduzenten der Welt) mobilisiert wurden. Lafarge wiederum hat sich durch seine Unterstützung der faschistischen Terrorimilizen von Daesh unter der Komplizenschaft des französischen Staates hervorgetan.

Die Unterstützung, die Darmanin in der Nationalversammlung von rechten und rechtsextremen Abgeordneten und Parteien erhielt, als er die bevorstehende Einreichung des Auflösungsdekrets ankündigte, ist ein deutliches Zeichen für die Allianz von Liberalen, Konservativen und Reaktionären im Dienste des Kapitals, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen, ohne Rücksicht auf die Gesundheit und das Überleben der Bevölkerung sowie auf den sozialen und ökologischen Notstand.

Nach Ansicht der Regierung kann in einem Rechtsstaat keine Gewalt legitim sein. Aber woher kommt die Gewalt, wenn bei Demonstrationen in Sainte-Soline gegen Megabassines (Anmerkung: große Wasserbecken der Agrarindustrie waren in den letzten Monaten ein Hauptziel der Soulèvements de la Terre) oder im Maurienne-Tal gegen den Ausbau des Hochgeschwindigkeitszugs Lyon-Turin die Polizei und die Gendarmerie Kriegswaffen einsetzen, blindlings nicht weniger als eine Granate alle zwei Sekunden auf friedliche Demonstrant:innen abfeuern und dabei viele unserer Genoss:innen verletzen und traumatisieren? Wo ist die Gewalt, wenn nach einer friedlichen Aktion gegen eine ökozidale Zementfabrik Terrorismusvorwürfe benutzt werden, um Aktivisten:innen auszuspionieren, zu durchsuchen und zu inhaftieren? Wie kann man von Rechtsstaatlichkeit sprechen, wenn Macron den reaktionären libertären Milliardärskapitalisten und Öko-Heuchler Elon Musk, den diktatorischen Kronprinzen des Königreichs Saudi-Arabien Mohammed bin Salman, der sich mit Petro-Dollars Wohlwollen erkauft, oder die faschistische Anti-Migrations-Politikerin Georgia Meloni mit großem Pomp empfängt?

Nach der Sozial- und Gewerkschaftsbewegung im Frühjahr sind nun Umweltschützer:innen die Hauptzielscheibe der Regierung. Während sich Überschwemmungen, Hitzewellen, die Zerstörung der Artenvielfalt und der Umwelt exponentiell beschleunigen, ist die einzige Antwort der Regierung Schlagstöcke, Verhaftungen und Auflösungen. Aber Auflösungen werden weder den stattfindenden Klimawandel noch die legitimen Sorgen noch die richtigen Reaktionen aufhalten, um die Menschen und Ökosysteme vor dem kapitalistischen und imperialistischen Appetit zu schützen.

Die Macronie versinkt immer tiefer in einem kriminellen Autoritarismus. Die Antwort kann nur einheitlich und von unten sein. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass, wenn die Soulèvements de la Terre heute ohne massive Antwort aufgelöst werden, morgen alle Organisationen bedroht sein werden, die sich der produktivistischen Zerstörung und den Interessen der Kapitalist:innen widersetzen.

Die UCL unterstützt die Soulèvements de la Terre in vollem Umfang, verurteilt ihre Auflösung und ruft dazu auf, sich allen heute und am 28. Juni organisierten Unterstützungsversammlungen anzuschließen.

Wir fordern außerdem die sofortige Freilassung der Verhafteten vom 20. Juni ohne weitere Strafverfolgung, die Einstellung der Strafverfolgung gegen die Verhafteten vom 5. Juni und gegen alle Aktivisten:innen, die für das allgemeine Wohl kämpfen.

Es gibt keinen grünen Kapitalismus und wir werden weiterhin Umweltmobilisierungen gegen umweltschädliche und unnötige Projekte unterstützen, organisieren und uns ihnen anschließen. Wir werden angesichts der Repression nicht den Kopf hängen lassen. Wir haben keine andere Wahl.

 

Union Communiste Libertaire, den 21. Juni 2023