Tarifergebnis im Öffentlichen Dienst: Ver.di-Führung knickt wieder ein

Gestern Nacht haben sich die Tarifkommission der Gewerkschaft Ver.di und die Arbeitgeberseite in ihren neuerlichen Verhandlungen für den Öffentlichen Dienst auf ein vorläufiges Tarifergebnis geeinigt. Vorgesehen sind mehrere zeitlich verteilte Einmalzahlungen sowie eine Tariferhöhung um 5,5% ab März 2024 und ein Sockelbetrag (also ein Mindestbetrag, den jede:r Arbeiter:in auf jeden Fall dazu erhält). Der Abschluss soll für 24 Monate gelten. Dieses Ergebnis stellt mehr oder weniger das dar, was von der kürzlich eingesetzten Schlichtungskommission vorgeschlagen worden war. Mitte Mai sollen die Beschäftigten nun darüber abstimmen, ob sie dieses Ergebnis annehmen wollen.

Obwohl die Führung von Ver.di bereits jetzt auf allen Kanälen das Ergebnis anpreist und dafür wirbt es anzunehmen, indem sie fragwürdige Kunstrechnungen aufstellen, ist offensichtlich, dass dieses Ergebnis nicht weniger als ein Einknicken vor der Arbeitgeberseite bedeutet. Für fast alle Beschäftigten stellt dieses Ergebnis maximal einen Inflationsausgleich dar. Für viele Beschäftigte jedoch, gerade im Niedriglohnbereich, wird es nicht einmal dafür ausreichen. Es zeigt sich deutlich, dass immer mehr dauerhafte Lohnerhöhungen durch Einmalzahlungen ersetzt werden. Für die Arbeiter:innen ist das ein schlechter Deal, der noch dadurch verschlimmert wird, dass die Laufzeiten der Abschlüsse und damit die Zeit, in der die Beschäftigten zum “Betriebsfrieden” verpflichtet sind (in dieser Zeit darf kein Arbeitskampf gegen die Bestimmungen des neuen Tarifabschlusses geführt werden) , immer länger werden. Es ist daher mehr als heuchlerisch, wenn Ver.di-Chef Werneke davon redet, dass man an die “Schmerzgrenze” gegangen sei. Vielleicht ist das die Grenze, wo die Ver.di-Führung gerade noch so ihr Gesicht wahren kann. Für die meisten Beschäftigten unterschreitet dieses Ergebnis die Schmerzgrenze aber deutlich. Es ist kein Wunder, dass sich aktuell ein berechtigter Sturm der Empörung von vielen Kolleg:innen und Ver.di-Mitgliedern in den sozialen Medien entlädt.

Nach dem abgesagten Erzwingungsstreik bei der Post ist das jetzt schon das zweite Einknicken der Ver.di-Führung in den letzten Wochen. Es zeigt sich deutlich, dass die Gewerkschaftsbürokratie alles unternimmt, um eine Eskalation des Arbeitskampfes zu verhindern – unter Applaus der bürgerlichen Presse und der Politik. Alles soll bitte schön im Rahmen der Verhandlungen der Bürokratie bleiben und bloß nicht dem Standort Deutschland schaden. Tatsächliche Streiks wären da nur hinderlich.

Dabei wären es eben gerade diese Streiks – kombiniert mit weiteren Aktionen wie Blockaden oder Sabotage – die das einzige Druckmittel sind, um bessere Abschlüsse durchzusetzen. Mit einzelnen Warnstreiks in einzelnen Branchen, deren einziges Ziel es ist, etwas Öffentlichkeit zu schaffen und den Standpunkt der Bürokratie in den Verhandlungen zu stärken, wird das nicht passieren.

Das Ergebnis muss noch abgestimmt werden und ist damit noch nicht final. Ein Blick auf vergangene Abstimmungen zeigt jedoch, dass eine Ablehnung aufgrund der hohen, undemokratischen Hürden und zentralistischen Strukturen der DGB-Gewerkschaften sehr unwahrscheinlich ist. So sehen wir einmal mehr, dass die Führungen der reformistischen Gewerkschaften die Totengräber:innen des Klassenkampfes sind. Es muss darum gehen, ihren wiederholten Verrat an den Beschäftigten anzuprangern, gerade auch am nahenden 1. Mai. Und es muss darum gehen, eine starke Alternative zum DGB aufzubauen. In der Freien Arbeiter*innen-Union kann die Basis für eine solche neue Gewerkschaftsbewegung liegen. Stärken wir sie daher mit all unseren Kräften.

Und unterstützen wir dennoch die Kräfte, die in Ver.di und den anderen reformistischen Gewerkschaften den Kampf gegen die Annahme des Tarifergebnis führen. Denn dieses Ergebnis muss abgelehnt werden! Für ein klares Zeichen gegen den Verrat!