Union Communiste Libertaire (UCL) interviewt Die Plattform! [DE/ENG]

 

Union Communiste Libertaire interviewt die plattform!

Im Spätsommer diesen Jahres haben wir unseren Genoss*innen von der Union Communiste Libertaire (UCL) aus Frankreich und Belgien ein Interview zu unserer Organisation und der gegenwärtigen politischen Situation im deutschsprachigen Raum gegeben.
Dieses Interview haben die Genoss*innen nun in der Dezember-Ausgabe ihrer monatlich erscheinenden Zeitschrift “Alternative Libertaire” veröffentlicht.
Die UCL gehört, wie auch unsere Organisation die plattform, der plattformistischen Strömung innerhalb der weltweiten anarchistischen Bewegung an. In Frankreich ist die UCL mit über 50 Lokalgruppen in fast allen Teilen des Landes vertreten und hat auch einen Ableger in der belgischen Hauptstadt Brüssel.
Wir veröffentlichen hier nun die deutschsprachige Version des Interviews, um es auch Leuten aus unserem Sprachraum zugänglich zu machen.
Viel Spaß beim Lesen!

(ENGLISH VERSION BELOW)

Interview:

Als erstes: Was ist “die plattform”? In welchen Organisationen der sozialen Bewegungen (Gewerkschaften, Initiativen, soziale Zentren) sind eure Mitglieder aktiv? In welchen Städten befinden sich die Lokalgruppen?

Die plattform, ist eine anarchakommunistische Organisation, auf einer plattformistischen Grundlage. Anfang 2019 haben wir die Organisation gegründet. Seit Anfang 2020 versuchen wir im Rahmen unserer Kräfte in den sozialen Bewegungen unserer Städte/Regionen zu kämpfen.
Unsere Organisation besteht aktuell aus fünf Gruppen: eine befindet sich im im Ruhrgebiet, einer Industrieregion im Westen des Landes, eine in der Hauptstadt Berlin, eine in der Region Rostock im Norden nahe der Ostsee und eine weitere in Trier, einer Stadt nahe der luxemburgischen Grenze. Die fünfte und letzte Gruppe ist die sogenannte “Überregionale Gruppe”, in der sich alle Genoss*innen aus Regionen zusammenfinden, wo wir noch nicht die Stärke haben eine Lokalgruppe aufzubauen.
Darüberhinaus ist noch eine Lokalgruppe in Leipzig, einer Stadt im Osten des Landes, im Aufbau. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass es in Deutschland keine Tradition des Plattformismus und Especifismo gibt. Es ist also ein großer Aufwand für uns, erst einmal die organisatorische und theoretisch-strategische Grundlage zu legen, die es braucht, um eine effektive Beteiligung an den Kämpfen der lohnabhängigen Klasse zu gewährleisten.

Unsere Mitglieder sind dabei aktuell vor allem aktiv in der Klimagerechtigkeitsbewegung (speziell “Fridays for Future”), in feministischen Kämpfen, in der “Black Lives Matter”-Bewegung sowie im geringerem Maße in Mieter*inneninitiativen und Gewerkschaften bzw. Arbeitskämpfen.

Im Januar 2020 habt ihr angekündigt, euch in diesem Jahr der Festsetzung eurer eigenen organisatorischen Grundsätze zu widmen und eure Ziele und Strategien im sozialen Kampf zu definieren. Wie sieht es nun, sieben Monate später, damit aus?

Die Grundlagen in diesem Prozess sind definitiv gelegt. Das zeigt ja auch unsere kontinuierliche Praxis, welche wir in einem noch überschaubaren Rahmen in unseren Städten bereits entwickelt haben. Auch wenn uns das bisher Erarbeitete ermöglicht, mit unserer Einfügung in die sozialen Bewegungen zu beginnen, sind wir nach wie vor noch am Anfang eines langfristigen Lern- und Kampfprozesses.
Viele unserer Mitglieder sind über Jahre in der linken Szene sozialisiert. Wir haben alle noch nie in einer so verbindlich strukturierten, strategisch und an den sozialen Bewegungen ausgerichteten Organisation gearbeitet. Vieles muss also erst einmal wachsen und sich entwickeln. Im Gegensatz zu einer sensationslüsternden linken Kampagnenpolitik ist die alltägliche Aufbauarbeit und Beteiligung an den Kämpfen unserer Klasse auch nun mal oft nichts, was sich gut öffentlichkeitswirksam vermitteln lässt. Genauso wenig wie der kontinuierliche interne Aufbau der Organisation. Aber wir sind auf einem guten Weg und sind einige größere und kleinere Schritte gegangen, um uns bald als Föderation offiziell gründen zu können.

Ihr wollt die Aufmerksamkeit der anarchistischen Bewegung auf Aktivitäten im sozialen Kampf lenken. Gibt es hier positive Entwicklungen zu vermerken? Wie seid ihr in den Gewerkschaften aufgestellt?

Sicherlich gibt es an dieser Stelle positive Entwicklungen zu vermerken, z.B. dass wir viele Individuen und Gruppen in der anarchistischen Bewegung erreicht und teilweise auch bereits inspiriert haben.
Das hat einerseits dazu geführt, dass sich ganze schon vorher existierende Gruppen dem Konzept des Plattformismus angeschlossen haben und nun auch versuchen auf dessen Grundlage eine Praxis in den sozialen Bewegungen zu entwickeln. Andererseits haben wir natürlich auch Gruppen und Individuen inspiriert, die, selbst wenn sie dem Plattformismus weiterhin kritisch gegenüber stehen, sich doch von unserem Ansatz die ein oder andere Scheibe abgeschnitten haben. Unser Eindruck ist zum Beispiel, dass es mit unserer Initiative wieder normaler in der Bewegung geworden ist, über Klassenkampf und die Klassengesellschaft an sich zu sprechen; etwas, was über lange Jahre hinweg eher verpöhnt war. Sicherlich ist das nicht nur unser Erfolg, aber wir haben durchaus dazu beigetragen, dass zumindest das Verständnis dafür, dass wir nach wie vor in einer Klassengesselschaft leben, erweitert wurde.

Was unseren Stand in den Gewerkschaften angeht, so müssen wir sagen, dass dieser sehr schwach ist. In den großen Gewerkschaften haben wir nur einzelne Mitglieder, die aber dort auch keine strategische Einfügung verfolgen. Lediglich in der anarchosyndikalistischen “Freien Arbeiter*innen Union” (FAU) haben wir einige auch aktive Mitglieder. Generell waren sehr viele unserer Mitglieder schon vor ihrer Aktivität in unserer Organisation in der FAU aktiv, was uns nicht überrascht, da die Genoss*innen der FAU nun einmal mit einer, in den meisten Syndikaten, starken Klassenpolitik sozialisiert sind.

Der Hauptgrund warum wir so schlecht in den Gewerkschaften aufgestellt sind, liegt bisher darin, dass wir unseren Fokus auf die sozialen Bewegungen außerhalb von Gewerkschaftspolitik gelegt haben. In der jetzigen Situation sehen wir dort mehr Potential für die Entwicklung von Gegenmacht. Diese Abwägung hängt auch mit der Beschaffenheit unserer Organisation, sowie auch mit der Situation der Gewerkschaften in Deutschland zusammen. Im Vergleich zu Frankreich ist die Erfahrung mit dem politischen Streik und Generalstreik in der lohnabhängigen Klasse in Deutschland kaum bis gar nicht verbreitet. Stattdessen werden durch die Gewerkschaftspraxis der großen und reformististischen Gewerkschaften (sogenannte “Sozialpartnerschaft”) die Klassengegensätze zwischen Herrschenden und lohnabhängiger Klasse verschleiert und durch moderierende Methoden der Verhandlung befriedet, sodass offensivere bzw. druckvollere Methoden des Arbeitskampfes viel zu wenig umgesetzt werden. In diesem Bereich des Widerstands gegen die Angriffe auf unsere Klasse werden wir unsere Position zukünftig noch präzisieren müssen. Dennoch sind wir natürlich da, wo es uns möglich ist, in Arbeitskämpfe involviert und unterstützen diese, wie z.B. den wilden Streik der Erntehelfer*innen in Bornheim bei Bonn oder den wilden Streik der Bauarbeiter in Regensburg. Hier begleiten, dokumentieren, analysieren und teilen wir mit der Bewegung die Erfahrungen aus Arbeitskämpfen, die Ausblick auf eine kämpferische Zukunft geben.

Wie steht ihr zur Interventionistischen Linken und zum kommunistischen “UmsGanze…”-Bündnis?

Das Projekt der Interventionistischen Linken (iL) verfolgen wir mit Neugier und sehen darin durchaus Ähnlichkeiten zu unserem Ansatz. Intervention und soziale Einfügung scheinen uns hier zwei unterschiedliche Begriffe für doch verwandte Vorgehensweisen zu sein. Was uns allerdings in der iL fehlt, ist eine ausgearbeitete und von allen Mitgliedern geteilte theoretische Basis sowie eine tragfähige Analyse der gegenwärtigen Situation. Und das, was uns wohl am meisten von ihr unterscheidet, ist unser Anspruch, Basisorganisationen aufzubauen. In unseren Augen verfolgt die iL die Strategie, punktuell politische Debatten zu beeinflussen und auf diese Weise Entscheidungen zu erwirken. Dies schlägt sich darin nieder, dass die iL verstärkt auf Kampagnen setzt, mit denen viele Menschen zu bestimmten politischen Großereignissen mobilisieret werden sollen (bspw. zu den G20-Gipfeln, aber auch zu den verschiedenen Landtagswahlen im Jahr 2019). Durch diesen Fokus scheint die iL zum Teil in ein instrumentelles Verhältnis zu Basiskämpfen zu geraten und diese nur insofern als nützlich zu erachten, wie sie zu breiten Konflikten mit starker medialer Außenwirkung zugespitzt werden können. Ihr geht es damit weniger um die Stärkung von Basisorganisationen der Unterdrückten, die langfristig für ihre Interessen und Bedürfnisse kämpfen können. Gerade dies ist aber wichtig, um langfristig handlungsfähige Bewegungen und Organisationen von unten zu schaffen, die für sich selbst einstehen können – ohne Partei oder Staat.

Im “UmsGanze…”-Bündnis (UG) können wir weniger Ähnlichkeiten zu unserem Ansatz ausmachen als es noch bei der iL der Fall war. In unseren Augen stellt UG einen eher loseren überregionalen Zusammenschluss eigentlich nur lokal agierender Gruppen der autonomen Szene bzw. ihrer Restbestände dar. Zwar starten die Gruppen genauso wie die iL gemeinsame Kampagnen und mobilisieren zusammen zu verschiedenen Ereignissen, verfügen im Gegensatz zur iL aber nicht über eine tiefergehende politische Strategie, um gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Genauso wie die Lokalstrukturen der iL konzentrieren sich die in UG zusammengeschlossenen Gruppen in ihrer Praxis stark auf die Bündnisarbeit mit anderen Gruppen der linken bis linksradikalen Szene. Genau diesen Fokus auf die innerlinke Bündnisarbeit, die nicht dazu in der Lage ist, breite Teile der eigenen Klasse und der Unterdrückten zu erreichen und zu organisieren im Kampf um die Verbesserung ihrer eigenen Lebensverhältnisse, wollen wir aber mit unserem Ansatz hinter uns lassen.

Ist die Beteiligung in und/oder der Aufbau selbstverwalteter sozialer Zentren auch Teil eurer Strategie?

Ja, wenn auch aktuell eher ein untergeordneter. Mittel- bis langfristig gesehen wollen wir aber entsprechende Zentren aufbauen, um unserer Organisation und den Kämpfen unserer Klasse eine starke Infrastruktur zur Seite zu stellen. Allerdings dürfen wir uns in unserer aktuellen Phase nicht verzetteln. Wir haben begrenzte Kapazitäten und können nicht alles, was wir am liebsten sofort machen würden, auch sofort umsetzen.

Welches Image hat der Anarchismus in Deutschland und konkreter: Wie steht ihr in Kontakt mit/in Beziehung zu der Bevölkerung?

Wir würden sagen dass das öffentliche “Image” des Anarchismus nach wie vor schlecht ist – auch wenn es sich in den letzten Jahrzehnten etwas verbessert hat. Das liegt weniger daran, dass es für unsere Ideen keine Sympathie in der Bevölkerung geben würde oder dass die Gesellschaft so tief reaktionär ist, dass eh alles verloren scheint. Vielmehr liegt es an der Unfähigkeit und dem Unwillen größerer Teile der anarchistischen Bewegung selbst mit der Bevölkerung in einen offenen, interessierten Austausch zu treten und eine wahrnehmbare Präsenz zu entwickeln. Oder noch schlimmer: Teile der anarchistischen Bewegung tragen auch aktiv dazu bei, das Bild des Anarchismus nachhaltig negativ zu prägen, wie es die diversen individualistischen Ausprägungen tun.

Durch unsere alltägliche Arbeit in unseren Vierteln, gegenseitige Hilfe, über kreative Aktionen, in den sozialen Bewegungen, haben wir auch schon vor der Gründung der plattform, als viele von uns noch in anderen anarchistischen Zusammenhängen gewirkt haben, erfahren, auf wieviel Zuspruch unsere Ideen stoßen, wenn wir auf der Straße und im Austausch mit den Menschen kontinuierlich und überlegt aktiv sind. Wie intensiv unser Kontakt in die Bevölkerung ist, ist dabei sehr unterschiedlich. Es gibt Viertel mit einer vergleichsweisen starken über Jahre aufgebauten anarchistischen Präsenz, wo auch Genoss*innen von uns bekannte Gesichter in der Nachbarschaft sind. Genauso wie es Viertel oder Gegenden gibt, wo Genoss*innen von uns quasi keinen Kontakt als Anarchist*innen in ihrem Lebens- oder Arbeitsumfeld haben. Wir merken aber bereits jetzt, dass wir durch die Arbeit der plattform in vielen Gegenden, in denen wir aktiv sind, unsere Beziehungen und Verbindungen zu den Menschen vertiefen.

Wie seht ihr die Entwicklung der politischen Situation in Deutschland und welche Rolle würde/könnte dabei dem Anarchismus zufallen?

Die Entwicklung der politischen Situation ist in Teilen von einer Radikalisierung der Menschen geprägt, im Positiven wie im Negativen. Es gab und gibt die letzten Jahre immer wieder sehr starke rechte Bewegungen, wie die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen der sogenannten Corona-Rebellen, Pegida, oder diverse Stadtspaziergänge, welche in Richtung einer rechten Bürgerwehr gehen. Faschistische Gruppen und Parteien haben es bislang nicht geschafft, wirklich nachhaltig und im großem Stil davon zu profitieren. Sie dümpeln – von einigen Gegenden abgesehen – weiterhin in der Bedeutungslosigkeit herum. Allerdings konnte die rechtspopulistische, bis rechtsradikale Partei Alternative für Deutschland (AfD) ihren Einfluss massiv ausbauen und erzielt hohe Werte bei Wahlen in quasi allen Parlamenten. Auch andere Gruppierungen wie Reichsbürger*innen, verschiedene andere verschwörungstheoretische Milieus wie Impfgegner*innen bauen ihren Einfluss aus und werden immer lauter. Es ist schockierend, wie viel Einfluss diverse Rechte alleine über sehr reichweitenstarke Youtube-Kanäle der unterschiedlichsten Art erreichen. An allen Ecken und Enden führt die Rechte einen Kulturkampf, der natürlich im Gegensatz zu unseren Interessen steht und auch für uns die Handlungsfähigkeit innerhalb der lohnabhängigen Klasse immer weiter erschwert. Darüberhinaus gibt es natürlich auch eine existenzielle Bedrohung durch bewaffnete faschistische Gruppen, welche Einfluss bis in die Polizei und Bundeswehr haben und sich erwiesenerweise auf einen Bürgerkrieg vorbereiten.

Auf der anderen Seite gibt es auch ohne Zweifel eine starke Mobilisierung von sozialen Bewegungen, die eher links verordnet sind. Fridays for Future war und ist sehr stark in Deutschland und hat tausende, eher zehntausende Jugendliche politisiert und viele auch in eine linke Tendenz radikalisiert. Auch die vor kurzem stattgefundenen sehr großen Proteste nach dem Mord an George Floyd, sowie die generellen Angriffe der Rechten auf migrantische Communitys haben speziell bei den jungen Menschen der Communitys zu einer starken Politisierung und tendenziell auch in eine linke Radikalisierung geführt. Leider hat zuminest die “Black Lives Matter”-Bewegung sehr schnell an Dynamik und Kraft verloren, aber immerhin hat sie zu der Gründung zahlreicher Gruppen der schwarzen Selbstorganisation geführt und auch noch einmal die durch den Mordanschlag in Hanau entstandene Migrantifa-Bewegung gestärkt.

Es lässt sich also grob abzeichnen, dass eine in Deutschland tratidionell sehr starke bürgerliche Mitte, die nur an der Aufrechterhaltung des sozialen (kapitalistischen) Friedens interessiert ist, kleiner geworden ist. Das Vertrauen in die etablierten Parteien ist massiv gesunken und hunderttausende von Menschen sind auf der Suche nach Alternativen. Sie empören sich über bestimmte Ereignisse, die in unsererem Land und auf der Welt passieren und politisieren sich darüber.
Leider haben wir den Eindruck, dass die radikale Linke und anarchistische Bewegung nur sehr schlecht dazu in der Lage ist, in dieser historisch wichtigen Situation Einfluss geltend zu machen und die Menschen zu erreichen. Es zeigt sich die Marginalität und eine Begrenztheit der meisten Ansätze, einer sich in Bewegung befindlichen Gesellschaft unsere Vorschläge von einer Alternative zu diesem System vorzustellen. Die plattform ist noch zu jung und zu klein um nachhaltig die Situation zu beeinflussen, auch wenn wir natürlich tun, was wir können.

Der Anarchismus als Ideenlehre und als vielfältige soziale Bewegung könnte sich unter diesen Umständen eigentlich entfalten. Gerade in dieser Situation, in der viele Menschen auf der Suche sind, wo es viele Unsicherheiten gibt, sich der gesellschaftliche Diskurs und die Klassenkämpfe beginnen, zuzuspitzen, könnte der Anarchismus beweisen, dass er Inspirationsquelle für die lohnabhängigen Klasse sein kann und praktische Lösungswege für ihre Probleme liefert. Da dies weder der anarchistischen Bewegung noch den meisten linksradikalen Ansätzen wirklich gelingt, ist unser Eindruck, dass die Rechte massiv an Boden gut machen konnte und nun deutlich besser als bisher aufgestellt ist.

Wir hoffen das sich dieser Trend nicht fortsetzt, speziell im Hinblick auf die aktuell kommende Wirtschaftskrise. Denn ohne Zweifel hat die Corona-Pandemie dazu geführt die Lebensverhältnisse der lohnabhängigen Klasse in Deutschland (und weltweit) weiter zu präkarisieren und weithin wird ja eine allgemein Weltwirtschaftskrise vorausgesagt. Die Kämpfe in dieser Zeit und die bis dahin geleistete Aufbauarbeit wird noch einmal deutlich zeigen, wie die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse sind, wie gut wir es als Organisation, der Anarchismus und die radikale Linke generell, schaffen mit dieser Situation umzugehen.

Wie sieht es mit euren Beziehungen zu internationalen libertären Organisationen aus?

Da der Platformismus, wie bereits von uns erwähnt, im deutschsprachigen Raum bislang keine Rolle spielte, war es uns von Anfang an perspektivisch sehr wichtig, mit anarchistischen Organisationen weltweit, die unserem Ansatz nahe stehen, zu vernetzen. Im Austausch mit ihnen konnten wir Erfahrungen sammeln, die uns bei unserer eigenen politischen Arbeit voranbrachten und weiterhalfen. Das galt und gilt vor allem für das Verständnis der Especifismo, der bis zur Gründung der plattform im letzten Jahr in der anarchistischen Bewegung weitgehend unbekannt war und über den es aus diesem Grund nur wenig deutschsprachige Literatur gibt.
Seit Beginn diesen Jahres haben wir unsere Zusammenarbeit mit unseren Genoss*innen aus aller Welt noch weiter intensiviert. Gemeinsam mit verschiedenen Organisationen aus Lateinamerika, Asien, Ozeanien, Afrika und Europa – darunter auch die UCL – haben wir mehrere Erklärungen und Analysen veröffentlicht, zum Beispiel anlässlich des 1. Mai oder des 8. Jahrestags der sozialen Revolution in Rojava.

Diese internationale Zusammenarbeit prägt und formt unsere Organisation nachhaltig. Es ist fantastisch von der jahrzehntelangen Arbeit und den Erfahrungen so vieler verbündeter Organisationen lernen zu können und sich daran weiterzuentwickeln. Wir hoffen sehr, dass sich nach den ersten Schritten diese Zusammenarbeit immer enger gestaltet und wir so einen breiten Zusammenschluss der anarchistischen Bewegung bilden können.

English Translation

First of all, what is Die Plattform? In which organisations of the social movement (trade union, struggle association, social centre, etc) do your members are active ? In wich city your die plattform groups are?

The platform is an anarcha-communist organization on a platformist basis. We founded the organization in early 2019. Since the beginning of 2020 we have been trying to fight within the framework of our forces in the social movements of our cities/regions. Our organization currently consists of five groups: one is located in the Ruhr area, an industrial region in the west of the country, one in the capital Berlin, one in the region Rostock in the north near the Baltic Sea and another in Trier, a city near the Luxembourg border. The fifth and last group is the so-called “supra-regional group”, which brings together all comrades from regions where we do not yet have the strength to build a local group.
In addition, a local group in Leipzig, a city in the eastern part of the country, is still under construction. It is important to note that there is no tradition of platformism and Especifismo in Germany. So it is a great effort for us to first lay the organizational and theoretical-strategic foundation needed to ensure effective participation in the struggles of the wage-earning class.

Our members are currently active in the climate justice movement (especially “Fridays for Future”), in feminist struggles, in the “Black Lives Matter” movement, and to a lesser extent in tenant initiatives and unions or labor struggles.

In January 2020, you wrote that you were committed for this year to lay your own organisational foundations, and to define your objectives and strategies in the social struggle, what about seven months later?

The foundations in this process are definitely laid. This is also shown by our continuous practice, which we have already developed in our cities within a still manageable framework. Even if what we have worked out so far allows us to start with our insertion into the social movements, we are still at the beginning of a long-term process of learning and struggle. Many of our members have been socialized in the left scene for years. All of us have never worked in such a bindingly structured, strategic and social movement oriented organization. So a lot has to grow and develop first. In contrast to a sensationalist left campaign politics, the everyday work of building up and participating in the struggles of our class is often not something that can be communicated in a way that is effective in the public eye. Neither is the continuous internal development of the organization. But we are on a good path and have taken a few larger and smaller steps to be able to officially establish ourselves as a federation soon.

You wish to draw the attention of the anarchist movement to action in social struggles, are there positive returns? What is your establishment within the trade unions?

Certainly there are positive developments to note here, e.g. that we have reached and partly inspired many individuals and groups in the anarchist movement. On the one hand, this has led to the fact that whole groups that existed before have joined the concept of platformism and are now trying to develop a practice in the social movements based on this concept. On the other hand, we have also inspired groups and individuals who, even if they continue to be critical of platformism, have cut a slice or two from our approach. Our impression is, for example, that with our initiative it has become more normal in the movement to talk about class struggle and class society itself; something that for many years was rather frowned upon. Certainly, this is not only our success, but we have certainly contributed to at least broadening the understanding that we still live in a class society.

As far as our standing in the trade unions is concerned, we must say that it is very weak. In the big unions we have only individual members, but there we have no strategic insertion either. Only in the anarcho-syndicalist “Free Workers’ Union” (FAU) do we have some active members. In general, many of our members were active in the FAU before they were active in our organization, which is not surprising, since the comrades in the FAU are socialized with a strong class policy in most syndicates.

The main reason why we are so badly positioned in the unions so far is that we have focused on the social movements outside of union politics. In the current situation we see more potential for the development of counter-power there. This balance is also related to the nature of our organization, as well as to the situation of trade unions in Germany. Compared to France, the experience of political strike and general strike in the wage-earning class in Germany is little or not at all widespread. Instead, the trade union practice of the large and reformist unions (so-called “social partnership”) obscures the class antagonisms between the ruling and the wage-earning classes and pacifies them by moderating methods of negotiation, so that more offensive or powerful methods of industrial action are implemented far too little. In this area of resistance against the attacks on our class, we will have to clarify our position in the future. Nevertheless, we are of course involved in and support industrial action wherever we can, such as the wildcat strike of the harvest workers in Bornheim near Bonn or the wildcat strike of the construction workers in Regensburg. Here we accompany, document, analyze and share with the movement the experiences from labor struggles, which give a perspective of a militant future.

What are your relations with Ums Ganze and the Interventionistische Linke?

We follow the project of the Interventionist Left (iL) with curiosity and see some similarities to our approach. Intervention and social insertion seem to us to be two different terms for related approaches. What we lack in iL, however, is an elaborated theoretical basis shared by all members and a viable analysis of the current situation. And the thing that probably distinguishes us most from it is our claim to build up grassroots organizations. In our view, iL’s strategy is to influence political debates at certain points and in this way to influence decisions. This is reflected in the fact that iL is increasingly focusing on campaigns aimed at mobilizing large numbers of people for certain major political events (e.g. the G20 summits, but also the various state elections in 2019). As a result of this focus, iL appears to be placed in an instrumental relationship with grassroots struggles and only considers them useful to the extent that they can be escalated into broad conflicts with a strong media impact. It is thus less concerned with strengthening grassroots organizations of the oppressed, which can fight for their interests and needs in the long term. But this is precisely what is important in order to create movements and organizations from below that are capable of action in the long term and can stand up for themselves – without party or state.

In the “UmsGanze…” alliance (UG) we can see fewer similarities to our approach than was the case with iL. In our eyes, UG represents a rather loose supra-regional association of only locally acting groups of the autonomous scene or its remnants. Although the groups, like iL, launch joint campaigns and mobilize together for various events, unlike iL they do not have a deeper political strategy for bringing about social change.
Just like the local structures of iL, the groups working together in UG focus in their practice strongly on alliance work with other groups on the left to radical left scene. It is precisely this focus on inner-left alliance work, which is not able to reach and organize broad sections of its own class and the oppressed in the struggle to improve its own living conditions, that we want to leave behind with our approach.

Is participation in and/or construction of self-managed social center, also part of your strategy?

Yes, although currently rather a subordinate one. In the medium to long term, however, we want to build appropriate centers to provide a strong infrastructure to our organization and the struggles of our class. However, we must not get bogged down in our current phase. We have limited capacities and cannot implement everything that we would like to do immediately.

What image does anarchism have in Germany and more precisely what contact do you have with the population?

We would say that the public “image” of anarchism is still bad – even if it has improved a bit in the last decades. This is not so much because there would be no sympathy for our ideas in the population or because the society is so deeply reactionary that everything seems lost anyway. Rather, it is due to the inability and unwillingness of large sections of the anarchist movement itself to enter into an open, interested exchange with the population and to develop a perceptible presence. Or even worse: parts of the anarchist movement are actively contributing to the negative image of anarchism, as the various individualistic forms do.

Through our daily work in our neighbourhoods, mutual help, through creative actions, in the social movements, we have experienced how much support our ideas have been met with when we are continuously and thoughtfully active on the streets and in exchange with people, even before the platform was founded, when many of us were still active in other anarchist contexts. How intensive our contact with the population is varies greatly. There are neighborhoods with a comparatively strong anarchist presence that has been built up over the years, where comrades of ours are also familiar faces in the neighborhood. Just as there are districts or areas where comrades of ours have virtually no contact as anarchists in their living or working environment. But we are already noticing that through the work of the platform in many areas where we are active, we are deepening our relationships and connections to the people.

How do you see the evolution of Germany politics and what role would there be anarchism?

The development of the political situation is partly characterized by a radicalization of the people, in the positive as well as in the negative. There have been and still are very strong right-wing movements in recent years, such as the protests against the state corona measures of the so-called Corona rebels, Pegida, or various city walks, which go in the direction of a right-wing vigilante group. Fascist groups and parties have so far not managed to profit from this on a large scale and in a really sustainable way. They continue to bob and weave in insignificance, except in some areas. However, the right-wing populist to right-wing extremist party Alternative for Germany (AfD) has been able to massively expand its influence and achieves high scores in elections in virtually all parliaments. Other groups such as the Reichsbürger, various other conspiracy-theoretical milieus such as vaccination-opponents are also expanding their influence and are becoming increasingly vocal. It’s shocking how much influence the various right wing groups achieve on their own via very wide-reaching youtube channels of various kinds. At every turn, the right is waging a culture war, which is of course contrary to our interests and makes it more and more difficult for us to act within the wage-dependent class. In addition, there is of course an existential threat from armed fascist groups, which have influence even in the police and the German army and which have proven to be preparing for a civil war.

On the other hand, there is also undoubtedly a strong mobilization of social movements that are more left-wing oriented. Fridays for Future was and is very strong in Germany and has politicized thousands, rather tens of thousands of young people and has radicalized many into a leftist tendency. Also the recent very large protests after the murder of George Floyd, as well as the general attacks of the right wing on migrant communities have led to a strong politicization, especially among the young people of the communities, and have also tended to radicalize to the left. Unfortunately, the Black Lives Matter movement lost its dynamics and power very quickly here, but it did lead to the founding of numerous groups of black self-organization and also strengthened the Migrantifa movement that emerged from the assassination attempt in Hanau.

It can thus be roughly seen that a political center that is traditionally very strong in Germany and is only interested in maintaining social (capitalist) peace has become smaller. Trust in the established parties has fallen massively and hundreds of thousands of people are looking for alternatives. They are outraged and politicized by certain events that are happening in our country and in the world. Unfortunately, we have the impression that the radical left and anarchist movement is not very well able to influence and reach the people in this historically important situation. The marginality and limitedness of most of the approaches of a society on the move is evident in our proposals of an alternative to this system. The platform is still too young and too small to have a lasting impact on the situation, even though we are of course doing what we can.

Anarchism as a theory of ideas and as a diverse social movement could actually unfold under these circumstances. Especially in this situation, where many people are searching, where there are many uncertainties, where the social discourse and class struggles are beginning to come to a head, anarchism could prove that it can be a source of inspiration for the wage dependent class and provide practical solutions to their problems. Since neither the anarchist movement nor most of the radical left approaches really succeed in this, our impression is that the right has been able to gain ground massively and is now in a much better position than before.

We hope that this trend will not continue, especially in view of the current economic crisis. There is no doubt that the corona pandemic has led to a further precarization of the living conditions of the wage-dependent class in Germany (and worldwide) and a general global economic crisis is widely predicted. The struggles during this period and the work of reconstruction carried out until then will once again clearly show how the social power relations are, how well we as an organization, anarchism and the radical left in general, manage to deal with this situation.

What are your relations with international libertarian organizations?

Since platformism, as we have already mentioned, has so far played no role in the German-speaking region, it was very important for us from the very beginning to network with anarchist organizations worldwide that are close to our approach. In exchange with them we were able to gain experience that helped us to advance our own political work. This was and is especially true for the understanding of Especifismo, which was largely unknown in the anarchist movement until the founding of the platform last year and about which there is little German-language literature for this reason.
Since the beginning of this year, we have further intensified our collaboration with our comrades from all over the world. Together with various organizations from Latin America, Asia, Oceania, Africa and Europe – including the UCL – we have published several declarations and analyses, for example on the occasion of May 1 or the 8th anniversary of the social revolution in Rojava.

This international cooperation shapes and forms our organization in a lasting way. It is fantastic to be able to learn and develop from the decades of work and experience of so many allied organizations. We very much hope that after the first steps this cooperation will become closer and closer and that we will be able to form a broad alliance of the anarchist movement.