NO PASARAN! – Kampf dem islamistischen Terror!

 

von: Alfred Masur

Die Welle islamistischer Terroranschläge in Europa reißt nicht ab: Am 16. Oktober 2020 wurde der französische Geschichtslehrer Samuel Paty, der in einem Pariser Vorort an einer Mittelschule unterrichtete, von einem islamischen Fanatiker ermordet, weil er in einer Schulstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Am 29. Oktober ermordete ein islamistischer Attentäter in einer Kirche in Nizza drei Menschen. Am 2. November wurden in Wien vier Menschen von einem Sympathisanten des “Islamischen Staats” getötet und 22 weitere verletzt.

In den vergangenen Jahren starben in Frankreich über 200 Menschen bei islamistischen Terrorakten; der Einfluss fundamentalistischer Prediger in vielen islamisch geprägten Vorstädten nimmt zu. In Deutschland ist die Lage zwar noch nicht so dramatisch, aber auch hierzulande kommt es immer wieder zu islamistisch motivierten Terrorakten wie dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen.

Solche spektakulären Gewaltakte sind nur ein extremer Ausdruck des fundamentalistischen politischen Islam, der Religion nicht als Privatsache betrachtet, sondern letztendlich das Ziel hat, der gesamten Gesellschaft seinen freiheitsfeindlichen Lebensentwurf aufzuzwingen: Er möchte Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradieren, gibt Homosexuelle und Ungläubige zum Abschuss frei, predigt militanten Antisemitismus, fordert unbedingten Gehorsam gegenüber religiösen Autoritäten und strebt danach, das Alltagsleben der ihm unterworfenen Menschen bis ins Kleinste zu reglementieren und ihnen insbesondere alles zu verbieten, was Spaß machen und sie vom Dienst am Allmächtigen abbringen könnte.

In seinem ganzen Streben will der Islamismus das Gegenteil dessen, was seit jeher das Ziel der revolutionären Linken war. Anstatt „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, möchte er solche Verhältnisse mit allen Mitteln herbeiführen, verteidigen und ausweiten.

Linke Schwierigkeiten mit der Religionskritik

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Kritik der Religion Voraussetzung aller auf Befreiung zielender Gesellschaftskritik ist. Nur wenn wir die Welt mit den Methoden der Wissenschaft betrachten, die Erfahrung und logisches Denken, nicht aber religiöse Dogmen als Erkenntnisquellen anerkennt, werden wir ein realistisches Bild der Verhältnisse gewinnen, die uns unterdrücken. Nur wenn wir uns klarmachen, dass einzig und allein wir selbst und nicht die Gebote irgendwelcher übersinnlichen Mächte darüber zu bestimmen haben, wie wir leben wollen, werden wir eine freiere Gesellschaft aufbauen können. Nur wenn wir alle Lehren zurückweisen, die uns durch den Verweis auf ein besseres Jenseits zur Passivität anhalten, werden wir hier und jetzt für eine bessere Welt kämpfen können.

Solche Selbstverständlichkeiten scheinen aber heute, über 200 Jahre nach der Religionskritik bürgerlicher Aufklärer wie Voltaire oder d’Holbach, für etliche Linke nicht mehr selbstverständlich zu sein. Nach rechtsextremen Anschlägen gibt es regelmäßig große Kundgebungen und Demos linker Initiativen. Als George Floyd in Minneapolis von einem rassistischen Polizisten ermordet wurde, gab es auch hierzulande große Solidaritätsdemonstrationen. All das ist gut und notwendig. Aber wo bleiben die linken Kundgebungen gegen islamistischen Terror? “#saytheirnames“ fordert eine viel beachtete Kampagne, um den Opfern des rechtsextremen Massakers von Hanau zu gedenken. An welche Namen von Opfern islamistischer Morde erinnern wir uns spontan? Zwar gab es unlängst im Zusammenhang der Angriffe des Islamischen Staates auf Rojava eine gewisse linke Aufmerksamkeit für die Gefahren des Islamismus, aber dies hat zu keinem nachhaltigen Umdenken in der Szene geführt.

Wenn es um den politischen Islam geht, schweigen nach wie vor viele Linke, aus Angst, als „islamophob“ und rassistisch zu gelten. Sie fürchten, zu viel Aufmerksamkeit für von Migrant*innen begangene Gewalttaten könnten der AfD und anderen rechten Kräften in die Hände spielen. Nichts könnte falscher sein als diese Haltung. Nein, es ist nicht rassistisch, religiös motivierte reaktionäre Taten zu verurteilen und menschenfeindliche Ideologien zu kritisieren. Es ist nicht rassistisch, patriarchale Verhältnisse anzuprangern, egal, in welchem kulturellen Milieu sie anzutreffen sind. Es ist auch nicht rassistisch, in Karikaturen religiöse Oberhäupter oder religiöse Vorstellungen und Praktiken der Lächerlichkeit preiszugeben. Solcher Spott war von jeher eine wichtige Waffe aufklärerischer Kritik gegenüber als „heilig“ geltenden Autoritäten. Rassistisch ist es, wenn alle Angehörigen einer bestimmten Religionsgemeinschaft pauschal herabgewürdigt und ihnen irgendwelche angeblich unveränderbaren Wesenszüge unterstellt werden. Der Unterschied mag im Einzelfall zuweilen gar nicht so leicht zu bestimmen sein, ist aber in einer sachlichen Debatte durchaus möglich.

Rechte “Islamkritik” als Deckmantel für Rassismus

Es sollte nicht der Fehler begangen werden, die Feindschaft der politischen Rechten gegenüber dem Islam als Religionskritik misszuverstehen. Die Rechten haben ja nichts gegen den Islam, weil er eine Religion ist. Sie kritisieren nicht religiöses Denken an sich – das Christentum finden sie oft sogar ausgesprochen gut. Es stört sie am Islam lediglich, dass er „fremdländisch“ sei und nicht zu „unserer“ Kultur passe. Auch die von Rechten teilweise zur Schau gestellte Sorge um islamische Frauen oder Homosexuelle ist heuchlerisch angesichts der konservativen Familienvorstellungen, welche die Rechten häufig propagieren. Sie selbst führen ja seit Jahren einen Kulturkampf, um die Teilerfolge feministischer und queerer Bewegungen der letzten Jahrzehnte wieder rückgängig zu machen. Kurz: Die angebliche „Islamkritik“ von rechts ist meist schlecht verpackter Rassismus.

Trotz ihrer vordergründigen Feindschaft haben extreme Rechte und islamische Fundamentalist*innen einiges gemeinsam: Sie ähneln sich in ihrer autoritären Weltanschauung und ihrem Ziel einer homogenen, von fremden Einflüssen gereinigten Kultur. Darüber hinaus unterstützen sie sich mit ihren Aktionen gegenseitig: Jedes islamistische Attentat wird von den Rechten als Vorwand genommen, um gegen Muslime und Migrant*innen generell zu hetzen und rassistische Angriffe auszuführen. So verübte etwa am 26. Oktober 2020 ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Front National im französischen Bayonne einen Anschlag auf eine Moschee, bei dem zwei Menschen schwer verletzt wurden. Jede solche rassistische Gewalttat wird wiederum von den Jihadist*innen ausgenutzt, um gegen die christliche Mehrheitsgesellschaft im Allgemeinen Stimmung zu machen. Beide Seiten stellen ihre Schandtaten als legitime Verteidigung gegen die Bedrohung durch die andere dar. So arbeiten sie beide daran, die Bevölkerung entlang falscher Linien zu spalten, Teile der Arbeiter*innenklasse aufeinander zu hetzen, sie enger an ihre jeweiligen Autoritäten zu binden und von einer Vereinigung und gemeinsamen Aktion gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung abzubringen.

Staatliche Repression und Propaganda

Auch von den Bemühungen der etablierten Politiker*innen und Parteien zur Bekämpfung des islamistischen Terrors ist wenig zu halten. Als Reaktion auf die jüngsten Anschläge setzt der französische Präsident Macron auf die schon bekannte Mischung aus Repression und Propaganda. Die demonstrative Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften soll vor allem Stärke und Handlungsfähigkeit des Staates zeigen. Es ist aber klar, dass dadurch der diffuse Terror nicht aufhören wird, da nicht jede Kirche und Schule in Frankreich von Polizeitruppen bewacht werden kann. Nebenbei dient der Einsatz im Antiterrorkampf natürlich auch dazu, das Image der französischen Polizei aufzupolieren und diese wieder als Beschützerin der Bevölkerung erscheinen zu lassen, nachdem sie noch vor Kurzem gegen die Protestbewegung der Gelbwesten derart gewalttätig vorgegangen war, dass selbst die UN-Menschenrechtskommissarin sich zu einer kritischen Bemerkung genötigt sah. Neben dem Aufmarsch der Polizei wird von Macron und anderen Politiker*innen vor allem die Verteidigung der „Werte der Republik“ bzw. hierzulande der „Werte des Grundgesetzes“ propagiert. Dies wirkt zynisch, wenn dieselben Politiker*innen eine gesellschaftliche Entwicklung vorantreiben, die für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, der vom Kapitalstandpunkt „überflüssig“ ist, keine befriedigende Lebensperspektive anbieten kann. Dies bringt zwangsläufig Frustration und Wut hervor, die, sofern keine revolutionäre Perspektive vorhanden ist, sehr leicht zum Nährboden für reaktionären Pseudoprotest werden kann, der je nach Milieu mal islamistisch oder auch rechtspopulistisch ausfällt. Das politische Establishment jammert über das „Scheitern der Integration“, nachdem es selbst die Migrant*innen zunächst als billige Arbeitskräfte angeheuert und in schrecklichen Wohnghettos zusammengepfercht hat und sie jetzt oft schlicht nicht mehr gebrauchen kann.

Darüber hinaus sind im Bewusstsein vieler Migrant*innen die Verheerungen sehr präsent, die Frankreich und andere westliche Staaten als Kolonialmächte, durch Militärinterventionen und wirtschaftliche Ausbeutung in den Ländern des globalen Südens verursacht haben und bis heute verursachen. Islamistische Organisationen wissen dies geschickt zu nutzen, um sich in ihrer Propaganda als “antiimperialistische” Befreier darzustellen – während sie in Wirklichkeit die Menschen in ihrem Einflussbereich in tiefste Knechtschaft und Barbarei zwingen.

Eine revolutionäre Perspektive

Wir wollen niemanden in dieses System integrieren. Im Gegenteil, wir wollen dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen mit diesem System und seinen Werten brechen. Wir wollen eine Bewegung aufbauen, die diesem System der Lohnarbeit und Konkurrenz, der Hierarchien und Ausschlüsse und der rapide voranschreitenden Umweltzerstörung den Kampf ansagt und für eine freie Gesellschaft streitet. Im Aufzeigen einer solchen Perspektive scheint auch der einzig erfolgversprechende Weg zu liegen, dem politischen Islam das Wasser abzugraben. Wenn es einer solchen Bewegung gelingen sollte, frustrierten Jugendlichen aus migrantischen, islamischen Milieus zu vermitteln, dass es sich lohnen kann, gemeinsam mit anderen, unabhängig von Glaube, Geschlecht oder Herkunft, für ein besseres Leben im Hier und Jetzt zu streiten, wird fundamentalistische Hetze weniger Gehör finden. Natürlich werden sich solche Interventionen zunächst nicht unmittelbar an die konservativsten Teile der migrantischen Jugend richten, aber wenn zum Beispiel einige aufgeschlossenere, aber durchaus religiöse Jugendliche in einer antirassistischen oder feministischen Initiative aktiv werden und in ihrem Umfeld Diskussionen anstoßen, so wird dies Auswirkungen auf die Stimmung im ganzen Viertel haben, die langfristig auch die konservativeren Teile der dortigen Bevölkerung beeinflussen. Es müsste letztlich darum gehen, dass von dieser Gesellschaft ausgestoßene Jugendliche erkennen, dass nicht das Kalifat, sondern der freiheitliche Kommunismus die wirkliche Negation der herrschenden Verhältnisse ist. 2005, im Jahr des großen Aufstandes in den französischen Banlieues, ist die Anzahl antisemitischer Straftaten in Frankreich um fast die Hälfte zurückgegangen. Die kollektive Revolte gegen die wirkliche Unterdrückung macht die Jagd auf Sündenböcke und Ersatzobjekte überflüssig.

Für ein solches Vorhaben ist die hiesige Linke mit ihrer studentischen Prägung, ihren selbstbezüglichen Diskursen und identitären Sprachcodes freilich eher schlecht aufgestellt. Zwar leben die Mitglieder dieser Szene aufgrund der billigen Mieten häufig sogar in denselben Vierteln der Großstädte, wo sich auch die migrantische Unterschicht aufhält. Allerdings gibt es kaum Bemühungen, miteinander in Kontakt zu kommen – jedes Milieu verbleibt in der eigenen Blase. Wir brauchen keine Integration in dieses System, sondern eine Integration möglichst vieler Segmente der lohnabhängigen Klasse in eine gemeinsame Bewegung des Widerstands gegen diese Verhältnisse. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir müssen noch so viel lernen, wenn wir ernsthaft in die Konflikte der kommenden Zeit eingreifen wollen. Packen wir es an, bevor es zu spät ist!