Gemeinsame europäische Erklärung – Es lebe der 1. Mai
Der 1. Mai darf nicht zu einer leeren Wiederholung oder einem allgemeinen „Tag der Arbeit“ degradiert werden; es ist wichtig, sich an seine authentischen Ursprünge in der Arbeiterklasse und im Internationalismus zu erinnern, um die Werte der Einheit, der Hoffnung und der Emanzipation, die die Geschichte des globalen Proletariats geprägt haben, wiederzuerlangen und zu bekräftigen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ursprünge und die Geschichte des 1. Mai mit dem Kampf für den Achtstundentag verbunden sind – ein Kampf, der 1866 in den am stärksten industrialisierten Ländern Europas und der Vereinigten Staaten begann. Zwanzig Jahre später, 1886, eröffnete die Polizei in Chicago während der Protesttage, die am 1. Mai für die Verkürzung der Arbeitszeit begannen, das Feuer auf die Arbeiter vor einer Fabrik, wobei es Tote und Verletzte gab. Später kam es bei einer Protestkundgebung gegen das Massaker zu einer Provokation, die zu schweren, von der Polizei angezettelten Zusammenstößen und einer Bombenexplosion führte; diese Ereignisse, die durch falsche Zeugenaussagen unterstützt wurden, führten zur Verurteilung von fünf Gewerkschaftsführern zum Tode und zu langen Haftstrafen für drei weitere.
Diese Gewerkschafter – allesamt Anarchisten und eingewanderte Arbeiter (mit Ausnahme von Albert Parsons, der in den USA geboren wurde) – waren völlig unschuldig an den fiktiven Anschuldigungen gegen sie. Sie wurden am 11. November 1887 gehängt, obwohl es im ganzen Land zu Protesten kam. So wurden August Spies, Adolph Fischer, George Engel und Albert Parsons ermordet, während Louis Lingg sich vor seiner Hinrichtung im Gefängnis das Leben nahm. Samuel Fielden, Oscar Neebe und Michael Schwab wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.
Der Kampf für kürzere Arbeitszeiten wurde jedoch nach einem anfänglichen Rückschlag durch die Ereignisse in Chicago und die anschließende Repression mit größerer Kraft wieder aufgenommen. Auf einem historischen Kongress, der 1889 in Paris stattfand, wurde für den 1. Mai des folgenden Jahres ein internationaler Protesttag zum Gedenken an die „Märtyrer von Chicago“ und zur Unterstützung des Achtstundentags ausgerufen.
Dank der zunehmenden Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse kam es Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern zu erheblichen Arbeitszeitverkürzungen, und zwischen 1917 und 1919 wurde der Achtstundentag in der gesamten europäischen Industrie zum Standard, auch aufgrund der Impulse der russischen Revolution.
Aber das heutige Gedenken an den 1. Mai darf nicht auf eine institutionelle Feier reduziert werden, die vom Konflikt zwischen Kapital und Arbeit und von den aktuellen Kämpfen losgelöst ist. Deshalb erinnern wir auch an den Widerstand des palästinensischen und kurdischen Volkes, an den Kampf gegen Militärbasen und die Ausbreitung des Militarismus in der Gesellschaft, an den Kampf gegen Waffenproduktion und -handel und gegen alle imperialistischen Kriege. Wir gedenken der Jugendlichen, die gegen Umweltverschmutzung und Arbeitsplatzunsicherheit protestieren; der FLINTA*, die für ihre Rechte in einer patriarchalen Gesellschaft kämpfen; der Arbeiter:innen, die gegen Entlassungen, für gerechte Löhne, Sicherheit am Arbeitsplatz und eine bessere Lebensqualität kämpfen; der Migranten:innen, die vor Krieg und Armut auf der Suche nach einer besseren Zukunft fliehen; und alle Menschen, die gegen das Wiederaufleben des Faschismus kämpfen, alle Grenzen ablehnen (denn „unsere Heimat ist die ganze Welt“) und sich für eine Natur und eine Menschheit einsetzen, die frei von kapitalistischer Ausbeutung in all ihren Formen ist – gegen Rassismus, Unterdrückung und alle Formen politischer und staatlicher Unterdrückung.
Unter allen Umständen: Es lebe der Widerstand gegen den Kapitalismus!
Mit der immer aggressiveren Einführung neuer Technologien und dem Aufstieg der so genannten künstlichen Intelligenz wird es immer dringlicher und notwendiger, den Kampf für eine umfassende Arbeitszeitverkürzung wieder aufzunehmen. Dazu gehören auch Forderungen, die über die nationalen Grenzen hinausgehen und für einen Durchschnittslohn eintreten, der dem Sozialdumping zumindest europaweit entgegenwirken kann. Es ist notwendig, mit Entschlossenheit für eine drastische Arbeitszeitverkürzung und deutliche Lohnerhöhungen zu kämpfen.
Deshalb ist der 1. Mai nach wie vor von großer Bedeutung – um wesentliche unmittelbare Ziele zu erreichen und den Marsch zur Befreiung aller ausgebeuteten und unterdrückten Klassen fortzusetzen. Und so gilt gestern, heute und morgen:
Es lebe der internationalistische 1. Mai!
☆ Alternativa Libertaria (AL/FdCA) – Italien
☆Die Plattform – Deutschland