Corona-Krise und Patriarchat – Warum uns die Pandemie nicht alle gleich trifft

Seit einem Jahr schallt uns aus allen Medien und aus den Erklärungen der Herrschenden immer wieder entgegen, die Pandemie treffe alle, egal wie reich, egal woher wir kommen und egal welches Geschlecht uns zugeschrieben wird.
Dass das eine dreiste Lüge der Herrschenden ist, ist allen klar, die mit den Öffis statt mit der Limousine zur Arbeit fahren, die aufgrund ihres Passes in überfüllten Lagern für Geflüchtete hungern oder die auch in dieser Krise täglich unter den Zumutungen des Patriarchats leiden.
In diesem Post wollen wir uns anlässlich des nahenden 8. März mit der besonderen Lage von Frauen*, Inter-, Nonbinary-, Transpersonen und Agender (FINTA*) in der Pandemie auseinandersetzen. Seit über einem Jahr führen wir ein Leben unter mehr oder weniger massiven Lockdownbedingungen.

Die staatlichen Pandemie-Maßnahmen führen dazu, dass sich das Leben aller Menschen, sofern sie sich überhaupt eine Wohnung leisten können, stärker als je zuvor innerhalb der eigenen vier Wände abspielt. Für FINTA* ergeben sich abseits der allgemeinen Belastungen des Lockdowns, besondere Belastungen. Denn im Patriarchat, in dem wir nunmal leben, wird ihnen noch immer der Großteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit aufgebürdet. Der Kapitalismus ist auf diese kostenlose Reproduktionsarbeit angewiesen, um sich zu erhalten. Wenn die Kitas und Schulen jetzt geschlossen sind, kommt oft FINTA* die Aufgabe zu, die an die eigene Wohnung gefesselten Kinder zu betreuen und zu versorgen. Die eh schon übliche Doppelbelastung aus Lohnarbeit und Haus- sowie Sorgearbeit nimmt auf diese Weise noch stärker zu.
Aber nicht nur die Arbeitsbelastung von FINTA* innerhalb der eigenen vier Wände nimmt um ein vielfaches zu: In den sogenannten “systemrelevanten” Zweigen des Lohnarbeitsbereichs, z.B. an Kassen oder an Krankenbetten, stellen noch immer FINTA* den Großteil der Arbeitenden. Die Extremsituation der Pandemie führt auch hier zu Überbelastung, sowohl körperlich als auch psychisch. Das Arbeitsrisiko steigt mit dem hinzukommenden Infektionsrisiko enorm an. Gesteigerte Risiken erleben FINTA* aber nicht nur auf der Lohnarbeit, sondern natürlich auch zu Hause. Wir alle wissen, dass auch ohne die Pandemie die eigene vier Wände für viele FINTA* kein sicherer Raum sind.
Stattdessen ist patriarchale Gewalt für viele Alltag. Der Rückzug des Lebens ins Wohnumfeld erhöht die Gefahr, Opfer dieser Gewalt zu werden. Dass gleichzeitig Frauenhäuser dicht machen, ist eine fatale Entwicklung. Die Zahl der Femizide (= Morde an FINTA) bleibt weiterhin extrem hoch und wird oft verschleiert mit der Einordnung, es handle sich nur um das Resultat aus einem Paarstreit. Jetzt brauchen wir Maßnahmen, um FINTA* auch während der Pandemie effektiv zu schützen und ihre Bedingungen zu verbessern:

  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den sogenannten “systemrelevanten” Berufen, im Pflege- und Krankenhaussektor und überall sonst: Mehr Lohn, besserer Infektionsschutz, weniger Arbeitszeit! Schluss mit dem Kaputtsparen der öffentlichen Gesundheitsversorgung!
  • Besserer Schutz gegen patriarchale Gewalt: Kapazitäten von Nothotlines verbessern, Frauen*häuser wieder aufmachen und öffnen auch für Illegalisierte und solche ohne deutschen Pass, Finanzierung aufstocken!
  • Mehr Obdachlosenunterkünfte für FINTA*
  • Umverteilung von Haus- und Sorgearbeit: Männer* müssen sich stärker beteiligen, damit die Last nicht nur bei FINTA* liegt!

Diese Forderungen sind erste, wichtige Forderungen, die wir als feministische Massenbewegung erkämpfen können. Diese Massenbewegung müssen wir aufbauen!
Gleichzeitig ist klar, dass diese Forderungen nicht ausreichen, um die Unterdrückung von FINTA* und die katastrophalen Zustände im Pflegesektor zu beenden. Der Staat, der Kapitalismus und das Patriarchat müssen gemeinsam mit allen anderen Formen der Unterdrückung überwunden werden!
Das profitorientierte, privatwirtschaftliche Gesundheitssystem muss einem System weichen, in dem sich Pflege an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und in dem die Beschäftigten selbst ihre Arbeit organisieren statt nur umzusetzen, was die Chef*innen befehlen.

Auf diese Ziele müssen wir langfristig hinarbeiten! Voran!